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Baukultur in Freilassing

Dominanz

Als ich eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, meinte ich gehört zu haben, daß sich Salzburg für eine City-Maut entschieden hätte, damit man den Unmengen der unvermeidlichen Touristen Herr werden könne. Denn man ist ja eine weltbekannte Großstadt und als solche hat man heutzutage eine solche Maut. Tatsächlich ist es so, daß amerikanische Bekannte Salzburg sofort kennen sobald man „Sound of Music“ sagt. 

Sofort habe ich mir ausgemalt, was Freilassing als wohl treueste Zecke im Umland davon halten würde. Ich konnte mir schon einen kritischen Bürgermeister vorstellen, dem allerdings schnell klar werden würde, dass sich eine Maut gegen den Europark auch für uns rechnen würde. Man ist ja Einkaufsstadt. Deshalb kennen die meisten aus der Nachbarstadt von Freilassing nur den Kilometer vom Ortseingang bis zu Kaufland und Co. Genauso will man es ja auch mit der Bahn machen. Die Schallschutzwände werden den Durchreisenden den Anblick ersparen, äh verbieten. So geht Stadtmarketing.

Nun ist Salzburg fast 10 mal so groß wie Freilassing, Freilassing 10 mal so groß wie der Ort Saaldorf, München wiederum 10 mal so groß wie Salzburg und jede anständige chinesische Boomstadt 10 mal so groß wie München. Das ist so wie das „10 hoch“ Video, falls das noch jemand kennt (https://www.youtube.com/watch?v=MgCrtINSQcE). Tatsächlich ist die City Maut in Salzburg abgelehnt worden und Freilassing ist für Salzburg so wichtig wie Saaldorf für Freilassing. Trotzdem kommen da ja die großen Politiker unserer Zeit her, wie Flatscher oder Kern. Es ist wohl der irrigen Annahme geschuldet, dass man im dörflichen Umfeld noch mehr Bezug zum echten Leben hat. Doch allen gleich ist der vermessene Größenwahn des ewigen Wachstums. Weil sich Salzburg mit London, Freilassing mit Salzburg etc. vergleichen meinen zu müssen. So wie die eigenen Kinder immer die klügsten sind. Ist so.

Und während ich das schreibe, stelle ich fest, daß ich heute weit über das Insta Limit kommen werde. Also sollten die dortigen Leser bitte doch gleich auf Matulusgarten.com wechseln. 2200 Zeichen ist doch so 2010.

Bei uns ist da so, dass wir von Salzburg die hässlichen Neubauten abbekommen. Wer so eine Altstadt hat, der kann halt in Lehen oder in anderen Gegenden auf Teufel komm raus nachverdichten. Weil so viele Münchner gerne auch in Salzburg eine Wohnung haben. Und so wütet auch bei uns das Architekturpräkariat. Theoretisch klingt das alles ganz vernünftig, so wie der Appell der Grünen, vermehrt auf Hochhäuser zu setzten. Tatsächlich ist Nachverdichtung aber so wie die Drängler auf der Autobahn beim Einfädeln oder die Leute bei Open Air Konzerten, die sich immer so hinstellen, dass man selbst gar nichts mehr sieht. Kurz: es ist eine Belästigung. 

Das lässt man nicht freiwillig über sich ergehen, denn es sind immer Dominanzspielchen, die dabei stattfinden. In Hofham ist das besonders gut zu sehen. Die Zwangszahlungen zum Straßenausbau waren da nicht ganz unbeteiligt. So ist es immer eine Unterdrückung der historischen Substanz. Irgendwo kommt immer einer, der seinen fetten Arsch von Neubaumisere reindrückt. Beispiele gibt es genug.

So spielt auch die Stadt als Bauherr mit. Der Teilneubau der Grundschule ist rational richtig und notwendig (weil vieles vorher verpennt wurde), und es ist für sich architektonisch interessant – oder wie Architekten zu sagen pflegen: ein Gebäude mit Selbstbewusstsein im spannenden Dialog mit der bebauten Umgebung. Tatsächlich ist es ein Vordrängler, ein Klotz, der nicht nur den Altbau sondern auch die Kirche daneben mit seiner Wucht bedrängt, der die kleinteilige Bebauung am Birkenweg wie ein böser Schatten überragt. „War nicht der Altbau selbst auch so ein massiver Eingriff?“ wird man fragen. Tatsächlich baute man die Schule damals mit ausreichend Abstand, mit einem einladenden Park respektvoll in die Landschaft. Sogar die damalige Villa, die dort stand, wo heute die Unterführung zum Badylon ist, passte mit Sörgelvilla und Schmuggler ins Gestaltungsbild. 

Nachverdichtung macht viele reich. Aber diejenigen, die dort wohnen, werden immer ärmer und damit wird auch die Stadt ärmer an Charakter und an Lebensqualität. Denn nicht jeder hat eine Salzburger Altstadt oder weitsichtige Politiker. Vielleicht wird man in 20 Jahren erkennen, dass diese Exzesse der falsche Weg waren. Aber dann ist es zu spät und man steht im Stau der Einfädler und wundert sich, warum nichts weitergeht. Deswegen wird auch das ISEK scheitern und damit die Stadtentwicklung. Als positive Note zum Schluss: Man kann ja immer noch nach Salzburg fahren und die Altstadt anschauen, schließlich gibt es ja keine City-Maut.

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