Matulusgarten

Baukultur in Freilassing

Geschichten aus dem Leben

Da ist sie wieder, die Jahreszeit, in der man wieder gerne den Pullover rausholt und wie auf Bestellung legt sich ein Regenteppich über den Rupertiwinkel. Es ist diese Zeit des Jahres, in der die Einrichtungshäuser und deren Online-Tentakel (bitte einfach mal nachschauen, wer alles zur LutzXXX Gruppe gehört) die größten Umsätze des Jahres machen. Deshalb gibt es heute kein Update über die Korruptionen der Lokalpolitik, die übrigens auch ganz ohne Geld funktioniert, und keine kritische Bewertung der Entscheidungen der Volksvertreter, sondern es geht um uns, um unser Wohnen. Es wird wahrscheinlich ein 2-Teiler, um genug Platz für die Lösung und Verbesserungsvorschläge darzustellen.

Seit ewigen Zeiten erzählen wir Geschichten, nicht nur früher am gemeinsamen Feuer oder später mit Hilfe von Büchern und in der Folge noch von anderen Medien. Nein, unsere Wohnungen erzählen unsere eigenen Geschichten. Denn hier sieht man die Entwicklungen von Obstkisten, die wir als Regale nutzten, weil wir kein Geld für Ikea hatten, bis hin zu den Küchen, die preislich auch einen gehobenen Mittelklassewagen alt aussehen lassen. Es sind die Möbel und die Bilder, die wir über die Jahrzehnte mitnehmen und auch die neuen Errungenschaften, mit denen wir in unseren Wohnungen unsere Lebensgeschichte dreidimensional darlegen. 

Unsere Wohnungen sind so verschieden, wie wir selbst sind. Sogar die Wohnungen, die man aus dem Internet kopiert hat, sagen mehr über uns aus, als uns manchmal lieb ist. So sind manche Wohnungen gleich, egal ob in Singapur, Lyon, Luton oder eben hier bei uns. Unsere Wohnungen sind zum einen Charakterstudien und zum anderen auch ein Spiegel der Gesellschaft. Genau deshalb pflegt die Werbeagentur Jung van Matt seit vielen Jahren zeitgemäße Wohnzimmer, um zu wissen, wie der Otto Normalverbraucher so lebt und natürlich wie man ihn am besten bewerben kann. Der Erfolg scheint ihnen Recht zu geben. 

Was für unsere Inneneinrichtung gilt, ist auch für die Außenseite des Wohnens gültig: Unsere Häuser. Manchen Häusern sieht man geradezu die Wunden und Narben der Jahrzehnte an. Auch das sind Geschichten, die wir erzählen. Die Häuser, die nach Vorgaben der Firma Alpine gebaut wurden, Häuser, die vom Staat in Auftrag gegeben wurden, für die Mitarbeiter aber auch Privathäuser mit den typischen Glasbausteinen der 60er Jahre. Man sieht die Dachfenster, die mehr aus Verzweiflung als ein Ergebnis architektonischer Beratung ins Dach geschnitten wurden, genauso wie man die Eternitverkleidungen erkennt, von denen jeder Hausbesitzer am liebsten die Finger lässt. So erzählen auch unsere Häuser unsere Geschichten. Wohl besser als das irgend ein schmissiger Heimatroman könnte.

Natürlich stehen daneben auch die Generalsanierungen wie auch viele Neubauten, die so viel Geschichte erzählen wie das Botox behandelte Gesicht einer Influencerin dieser Tage. Es sind im schlimmeren Fall Sagrotan-kompatible Dämmstoffhöhlen mit Inneneinrichtung. Doch auch hier erzählt der drei Meter hohe Schutzzaun vor dem Steingarten, der 500 Euro Sicherheittür mit Kamerasystem und laut brummendem Wärmepumpen-Denkmal seine eigene Geschichte und unweigerlich entstehen vor dem inneren Auge Vorstellungen davon, wie es wohl im Inneren aussehen möchte. Wahrscheinlich völlig ungerechtfertigt.

Nun gilt das Gleiche auch für die großen Bauten von Investoren, Banken, Verwaltung und Firmen. Sie erzählen Geschichten, die zum Grausen sind. Keiner will etwas Positives beitragen. Wer einmal die Gelegenheit hat, in London durch die langweiligen Gegenden zu streifen, dem möchte ich gerne einen Abstecher in Richtung Camden in der Hampstead Road ans Herz legen. Hier taucht auf einmal die ehemalige Zigarrenfabrik Arkadia Works auf. Das 1928 erbaute Gebäude zaubert fast jedem ein Lächeln ins Gesicht. Doch moderne Bauten bei uns in Freilassing? 

Manche Gebäude sind wie Polizisten, die ermahnen, hier gäbe es nichts zu sehen und man möge bitte gleich weitergehen. Die Geschichten, die hier erzählt werden, sind die Geschichte der Stadt, der Bürger, von solchen, die gleicher sind als die Anderen. Es sind Geschichten, in denen wir als Komparsen vorkommen, weil wir es immer mehr ertragen statt beitragen zu wollen. Mir soll bitte keiner sagen, wie ich zu sein habe und wie meine Geschichte auszusehen hat. Meine Fehler muss ich selber machen, aber auch meine Erfahrungen will ich wie einen Banner vor mir hertragen dürfen. Denn es ist meine Geschichte, es ist unsere Geschichte und nicht das, was Amateurpolitiker daraus machen wollen. 

Bitte weitergehen! Hier gibts nichts zu sehen.

Wie gesagt, gibt es eine Auflösung dazu im zweiten Teil.

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1 Kommentar

  1. Gampert Christine-Maria November 9, 2025

    👍👍

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