Matulusgarten

Baukultur in Freilassing

Ein böses Spiel

Heute wird’s kompliziert – ist aber dann doch ganz einfach. Eine Familie hat ein Haus und ein wenig Grund, auf dem sie auch ein paar Hühner halten. Sie kennen alle beim Namen, und wenn es einmal ein Brathähnchen gibt, dann ist das etwas ganz Spezielles. Bei den meisten Menschen kommen die Chicken Wings aus der Massenhaltung, da spricht man beim Essen nicht über die Hühner. Wenn die Menge an Untergebenen nur gross genug ist, dann schwindet die emotionale Verbindung. Der Fachbegriff ist Soziale Distanz (nein, nicht das Zeug von Covid). Das gleiche kennen die Stars auf der Bühne, die man dann als “abgehoben” bezeichnet, oder auch Leute mit zu viel Reichtum “Ich weiss gar nicht, was ich mit all den normalen Menschen zu tun habe. Deren Regeln gelten für mich nicht” (aus einem Gespräch vor ein paar Jahren). Und es gilt vor allem auch für Politiker und für Leiter von Unternehmen.

Für die Politiker gibt es dazu sogar einen rhetorischen Leitfaden “ich bin einer von Euch” (für Interessierte). Je mehr Hühner, desto grösser die Distanz. Ab wie vielen Hühnern weiss man den Namen nicht mehr und ab wie vielen verliert man den emotionalen Bezug? Das geht automatisch. Es ist ein fliessender Übergang. “Früher war er doch ganz normal…” Hört man des öfteren bei dem ein oder anderen Politiker.

Was hat das nun mit Klinik und Co zu tun? Die soziale Distanz erlaubt es den Akteuren, aus rein mathematischen oder finanztechnischen Gründen zu entscheiden, ohne daran zu denken, dass es hier um Menschen, um Betroffene geht. Würde man so etwas den Entscheidern vorhalten würden sie sofort versichern, dass sie natürlich an die Menschen und an die Schicksale denken. Und das tun sie tatsächlich, weil es Wähler sind, aber nicht aus irgendeiner emotionalen Verbundenheit heraus. Das ist so, weil der grundlegende moralische und menschliche Kompass abhanden gekommen ist. Überwuchert und erdrückt von politischen und ideologischen Vorgaben und von seelenloser Logik.  

So beginnt eine Kettenreaktion wenn der Gesundheitsminister mit all seinen Experten meint, es gibt zu viele Kliniken, und die kosten den Staat zu viel Geld. Es folgt also eine zweifelhafte Reform, damit alles besser wird. Aus Sicht des Ministeriums und nicht aus Sicht der Menschen (siehe oben). So hält das Ministerium Unterstützungsgelder zurück (2027-28), damit einige Kliniken Pleite gehen. Schliesslich gibt es ja ein Überangebot, vor allem in den Grossstädten. An die Menschen wird dabei nicht gedacht. 

Ausserhalb der Grossstädte, also bei uns, führt dass in der Folge zu Finanzproblemen bei Kliniken. Das geht so in allen Gegenden des Landes. Das ist nichts Neues bei der KSOB, die ja schon vor langer Zeit über die Pläne in der Gesundheitsversorgung unterrichtet war und deshalb auch das Konzept KSOB 2.0 angefangen hatte, als logische Weiterentwicklung der Zentralisierung. Als Vorbild dient Dänemark, wo man 80km bis zur nächsten Klinik als optimal empfindet. Die Grundidee dabei ist, dass es nur ein großes, wunderbares Klinikum braucht, das eine Region abdecken kann. An die Menschen und Schicksale denkt man auch hier nur bedingt, wenn ganze Landstriche ihrer medizinischen Infrastruktur beraubt werden, wenn die Notaufnahme nur noch auf der Landstraße stattfindet. Haus- und Fachärzte können sich das nicht leisten. Kinder werden nicht mehr in ihrer Wohnstatt geboren sondern halt 80km weiter weg. Es gibt immer weniger, die als Geburtsort Freilassing angeben können. 

Bei uns baut die KSOB für hunderte von Mio Euro an dem Großklinikum in Traunstein. Die Investitionen in Bad Reichenhall sind nur halbherzig, denn man braucht ja Geld vom Landkreis, der sich dadurch sein eigenes Dilemma baut. Ohne zu verhandeln oder Alternativen zu erwägen, stecken die Landkreise der Klinikgesellschaft 94 Mio Euro in den Rachen, die man nie wieder sieht, und für die man in unserem Landkreis nahezu nichts bekommt. Um das zu schaffen, muss der Kreis die Kreisumlage erhöhen und er bringt damit bewusst Gemeinden an ihre Leistungsgrenzen, da die Kassen allerorts schon von vielen unerwarteten Ausgaben geplündert sind. Das ist eine ganz andere Geschichte und noch viel länger. Der Landkreis denkt halt auch zuerst an sich und nicht an die Menschen. Man ist abgehoben vor deren Problemen.

Die Gemeinden werden also Gebühren erhöhen müssen und Angebote einschränken, werden das Tafelsilber – falls noch vorhanden – verscherbeln müssen. Man kennt ja die Argumentationen “das ist leider zur Zeit alternativlos” wird man in den Ausschüssen sagen. Zahlen müssen es letztendlich die Menschen, aber alle anderen sind fein raus.

Jetzt ist das nicht so, dass das eine einmalige Sache ist. Wenn ab 2028 das neue Krankenhausgesetz greift, wird nicht alles gleich besser. Die nächste Finanzspritze wird schon bald kommen. Dann ist es wieder der gleiche Teufelskreis. Keiner kennt die Namen der Hühner, die hier geschlachtet werden.

Was kann man tun? Zum einen kann man auf die Bundes und auf die Landespolitik hoffen. Doch die sagen zwar, dass sie “sich einsetzen” werden und dass ihnen “das sehr wichtig” ist, aber ausser netten Pressefotos kommt nichts heraus. Man stellt sich erst mal tot und hofft, dass es die Menschen am Ende der Nahrungskette vergessen. Welche Partei ist dabei unwesentlich. Niemand macht was, aber alle reden.

Am Ende wird nicht alles gut. Die Gemeinden und der Kreis müssen selbständig handeln. So, wie das bereits in Freilassing angedacht ist. Erst einmal die Probleme vor Ort lösen. Dann muss man aus der unsäglichen KSOB AG aussteigen oder zumindest die Finanzspritzen beenden. Man muss sich von seinem Zuhälter trennen. Das wird viel Krach geben und jeder wird die Schuld dem anderen geben, aber erst dann kann es besser werden, sonst geht es immer weiter. Keiner denkt wirklich an die Menschen und Schicksale. Sie denken nur an ihre Position und sich selbst.

Wohlgemerkt ist die Gesundheitspolitik nur ein Teil von vielen, die in der Zukunft auf und zukommen. Auch wie das Gesundheitsministerium wissen viele nicht so genau, was sie tun. Dazu noch ein Zitat von Dr. Gretsch von der KSOB über die Professionalität des Bundesgesundheitsministeriums im Kontext einer Finanzierungsforderung für die KSOB “…Aber wenn Sie dahinter schauen und erkennen, wie viel Nicht- Substanz dahinter steckt, dann habe ich zu unserer Forderung auch gar keine Antwort erwartet.”

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