Wie konnte es nur soweit kommen? Wo sind wir falsch abgebogen? So in etwa fragt man sich manchmal, wenn man sich die neuesten Errungenschaften oder das, was als solche verkauft wird, betrachtet. Natürlich sind dann auch gleich die besser informierten, die einem dann in Erinnerung rufen, dass es genau die Dinge sind, die wir geschafft haben, unseren Fortschritt zementieren und uns in eine bessere Zukunft transportieren. Und weiter setzt die Politik ja nur den Willen der Wähler um. Sozusagen ein verkehrtes Clausewitzsches Zitat, weil man ja unterstellt, dass die Leute gar nicht so genau sagen können, was sie denn wollen.


Es geht um eine weitere Neubauerweiterung der reichhaltigen Freilassinger Immobilienkaste. Dort richtet man sich nach dem Markt und der hat ja, wie wir alle wissen, immer recht. Das sieht man wunderbar an dem Projekt an der Eichetstraße Ecke Beethovenstraße. Wo vorher Hecken und Gartenzäune den uralten Weg eingesäumt haben, präsentiert man stolz eine abscheuliche Tiefgarageneinfahrt mit dazugehörigem Parkplatz. Ganz dahinter versteckt sich noch ein Neubau nach dem Motto „ich will ja eigentlich nichts mit euch zu tun haben”. Und das ist nicht das letzte solcher Projekte. Weiter vorne wartet immer noch der triste Schotterplatz auf seine Immobilienoffenbarung. Es wird bestimmt… lukrativ sein.

Warum das so ist? Über §34 und so wurde ja schon oft geschimpft, aber auch im Grossen und Ganzen liegt dem das wunderbare ISEK, das integrierte Stadtentwicklungskonzept, zu Grunde. Das Papier ist Voraussetzung für die Stadt, damit sie Förderungen bekommt und es ist ein Potemkinsches Dorf zur Vorspiegelung einer Bürgerbeteiligung. Tatsächlich ist es das Konzept einer Beratungsfirma, die Freilassing genauso gut kennt, wie der durchschnittliche Freilassinger Bibione oder eben den Gardasee – je nach Finanzlage. Einigen wenigen Bürgern wurde die Mitarbeit gestattet, damit sie mit entscheiden können und es auch als Bürgerwille verkauft werden kann.
Das ist dann so, als ob man Leute entscheiden lässt, was sie essen wollen und ihnen die Wahl zwischen, Pizza Salami, Pizza Leberkäs und Pizza ohne alles lässt. Kein Schnitzel, kein Salat, kein Döner. Am Ende ist es die Entscheidung der Bürger. Mit den gleichen Mitteln kann man auch Bürgerräte oder Projektgruppen einsetzen. Die kann man gut aussteuern und es dann als demokratische Teilhabe verkaufen. So hielt es ja schon der ein oder andere Bürgermeister in der Vergangenheit mit dem Stadtrat.
Letztlich kann man immer darauf zeigen und sagen: ihr wolltet es doch so, also hört mit dem Jammern auf!
All dem liegt ein bestimmtes Menschenbild zu Grunde, das sich je nach Couleur der Partei unterscheidet. Entweder dass der Mensch gar nicht weiss, was gut für ihn ist und man es ihm halt auf diese Art beibringen muss, oder dass die bisherige Gesellschaft im Grunde konfliktbelastet ist und man sie nur verbessern kann, wenn man die zugrundeliegenden Strukturen aufbricht. Diejenigen, die so etwas voran treiben wissen für sich, dass sie ja die besseren Menschen sind. Die Klügeren auf jeden Fall. Man muss es halt nur richtig verkaufen bzw. kommunizieren. Zwangsweise führt das langsam aber sicher in eine immer größere Lücke zwischen politisch handelnden und der Lebenserfahrung der Menschen.
Solche Lücken wachsen exponentiell weil die Mechanismen sich immer mehr verfestigen, weil man immer mehr Vorschriften zur Aufrechterhaltung des Scheins benötigt und man sich selbst auf diese Art vormacht, tatsächlich etwas Konstruktives beizutragen. Ändern wird sich nichts, wenn wir nur zwischen 3 Pizzas entscheiden können sondern erst wenn wir „Warum?“ und „Ist das wirklich so?“ fragen dürfen und eine ehrliche Diskussion darüber haben.
„Der Mensch is guad, de Leit‘ san schlecht!“
Karl Valentin